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Meri Valkama : Deine Margot

Buchbesprechung von Frank Rehag, Mai 2024

dt. Erstausgabe: 2024 - Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/Main
finn. Originalausgabe: 2021 - Werner Söderström Ltd (WSOY), Helsinki
Titel der finnischsprachigen Originalausgabe: "Sinun, Margot"
aus dem Finnischen von Angela Plöger
Der hier vorliegende Erstlingsroman Meri Valkamas, der in Finnland extrem erfolgreich war und für den die Autorin 2021 den Debüt-Preis der finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat erhielt, behandelt ein Thema, das für finnische Literatur eher ungewöhnlich ist, und auch die Handlung spielt nur gelegentlich in Finnland, stattdessen vorwiegend in Ostberlin zu DDR-Zeiten als auch im Osten Berlins nach der Wende – folglich in zwei Zeitebenen.

Als im Jahr 2011 ihr Vater stirbt, findet die Journalistin Vilja in dessen Nachlass eine Dose mit Briefen, in denen eine gewisse Margot an einen gewissen Erich schreibt. Es ist unübersehbar, dass dahinter eine tiefe spezielle Liebesgeschichte mit großer Sehnsucht steckt. In den Briefen wird auch ein Kind namens Kastanie erwähnt und Vilja hat allen Grund zur Annahme, dass damit sie gemeint sein könnte und dass sich hinter diesem Erich der Vater verbergen könnte. Vilja beschließt, Margot zu finden, die Frau, die ihrem Vater Liebesbriefe geschrieben hat und zu der sie als Kind offenbar ein enges Verhältnis hatte. Auf eben dieser Zeitebene – es sind die Jahre 2011 und 2012 – erzählt der Roman, wie Vilja nach Deutschland reist, wieder in demselben Haus auf der Fischerinsel in Berlin lebt, in dem sie als Kind mit ihrer Familie gelebt hat, und wie sie versucht, das Geheimnis der Geschichte, die sich hinter den Briefen verbirgt, zu entschlüsseln.

Auf einer zweiten Zeitebene – diese spielt in den 1980er Jahren zwischen 1983 und 1989 – begleiten wir diese finnische Familie bei ihrem Leben in der DDR. Viljas Vater Markus Siltanen war Journalist bei einer linken finnischen Zeitung und als Auslandskorrespondent mit großem Idealismus für den real existierenden Sozialismus nach Ostberlin gekommen. Er brachte seine Frau Rosa mit und zwei kleine Kinder, neben Vilja noch deren Bruder Matias. Markus ist gemäß seiner Ideale ein treuergebener und fleißiger Journalist, auch ein guter Vater, aber kein guter Ehemann. So, wie die DDR allmählich zusammenbricht, droht langsam auch das Familienleben der Siltanens zu zerfallen, bis die Familie schließlich überstürzt nach Finnland zurückkehrt und dabei auch Freundschaften zurücklässt.

Sowohl Rosa als auch Vilja haben sich immer wieder über die Kühle ihrer Beziehung und die seltsame Distanz gewundert, die sie als Mutter und Tochter zueinander empfunden haben. Je weiter Vilja mit ihren Nachforschungen kommt, bei denen ihr Ute behilflich ist, eine Freundin der Mutter während der Ostberliner Zeit, desto klarer werden die Gründe und desto mehr versteht Vilja die Vergangenheit ihres Vaters und ihre eigene, die auch wichtig für ihre Gegenwart und ihre Zukunft ist, denn "nur, wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten" (August Bebel). Mühelos verständlich wechselt der Roman zwischen den Zeitebenen und in Kombination mit den im gesamten Roman verteilten Briefen von Margot an Erich, die chronologisch rückwärts vom 8. Oktober 1989 bis zum 18. August 1987 datiert sind, erhalten die Leserinnen und Leser gerade so viele Informationen, dass sie mit Viljas Entdeckungen Schritt halten bis zum emotionalen Ende, bei dem man trotz der unterkühlten Art der Protagonistin mit dieser mitfiebert und auf ein gutes Ende hofft.

Trotz der Parallelen im Leben Viljas und der Autorin Meri Valkama, die ebenfalls einen Teil ihrer Kindheit in Ostberlin verbrachte, ist Deine Margot kein autofiktionaler Roman, die handelnden Personen sind frei erfunden mit Ausnahme der aufgrund der Weltgeschichte bekannten Politiker. Auch ist Deine Margot kein Roman, der die DDR-Geschichte aufarbeiten will, diese dient lediglich als historischer Rahmen für die hier vorliegende Familiengeschichte. Dabei wurden die geschichtlichen Aspekte jedoch gekonnt eingeflochten, was nicht zuletzt einer mehrjährigen Recherche sowie einem Stipendiumsaufenthalt in Berlin in den Jahren 2015 und 2016 geschuldet ist, während dem Meri Valkama Dokumentationen über Journalisten verfasste, die für die ehemalige DDR gearbeitet hatten, während dem sie aber auch in normalen Alltagssituationen Gespräche mit Menschen führte, die in der DDR gelebt haben, und in Erfahrung bringen konnte, wie deren Leben aussah. Der Autorin gelingt es, in ihrem Debüt ein gesellschaftliches Gesamtbild zu zeichnen, das sowohl die Missstände erwähnt, aber auch positive Dinge sichtbar macht. Natürlich hat sie auch eigene Kindheitserinnerungen verwendet, Geschmack und Gerüche spielen eine wichtige Rolle, der Duft einer Kartoffelsuppe steigt einem während der Lektüre unweigerlich in die Nase. Ein fesselnder Roman über Erinnerungen, Sehnsüchte und die Suche nach Klarheit und Identität.
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